Vor dem Hintergrund des anlasslosen und ungerechtfertigten Angriffskrieges auf die Ukraine durch ein Mitglied des UN-Sicherheitsrates wird deutlich, dass die bisherige regelbasierte Weltordnung gefährdet ist. Ein weiteres Mitglied des UN-Sicherheitsrats bedroht ebenfalls einen friedlichen Nachbarn, der trotz seines Eintretens für ein friedliches Zusammenleben und obwohl es sich um ein freiheitlich orientiertes, demokratisches Land handelt, das für die Wahrung der Menschenrechte und sämtliche Werte der UN-Charta eintritt, nicht Mitglied der UN sein darf.
Angesichts der größten Militärmanöver Chinas gegenüber Taiwan seit 1996 nach dem Besuch der Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, bei welchen sechs Raketen über Taiwan hinweg gingen, teilweise bis in die Exclusive Economic Zone Japans, wird deutlich, dass dieses kleine Land Schutz braucht. Dazu sollte es in internationale und multilaterale Mechanismen, einschließlich regionaler Sicherheitsmechanismen, eingebunden werden. Eine Beteiligung Taiwans an jenen multilateralen Mechanismen und an den UN und ihren Sonderorganisationen sollte dementsprechend auch nicht länger ungerechtfertigterweise verhindert werden, da Taiwans Ausschluss für diese kleine, bedrohte Nation im Grunde bedeutet: Ohne Teilnahme, keine Sicherheit.
Der Ausschluss Taiwans wird durch China mit seinem Beharren auf seinem „Ein-China-Prinzip“ gerechtfertigt, dem jede rechtliche Legitimation fehlt. Zudem wird die chinesische Auslegung der Resolution 2758 (XXVI) der Generalversammlung der Vereinten Nationen zur Begründung herangezogen. Diese Resolution aus dem Jahr 1971 befasst sich jedoch lediglich mit der Vertretung Chinas in den UN. Sie gibt der Volksrepublik China weder die rechtliche Befugnis, Taiwan im UN-System zu vertreten, noch erklärt sie, dass Taiwan ein Teil der Volksrepublik China sei.
Die Resolution 2758 löst nicht die Frage der Beteiligung der Bevölkerung Taiwans an den Vereinten Nationen. Als die VR China sich um einen Sitz in den UN bemühte, beriefen sich ihre Verbündeten auf den Grundsatz der „effektiven Autorität“, um die Aufnahme der VR China zu unterstützen. Dieses Argument muss nun gleichermaßen für Taiwan gelten, denn es ist die Regierung in Taipeh, nicht die in Peking, die Taiwan effektiv und legitim regiert.
Taiwan kann mehr Verantwortung übernehmen und seinen Beitrag zur internationalen Gemeinschaft leisten. Bei der Bekämpfung der Pandemie und bei der Sicherung der globalen Lieferketten hat Taiwan bewiesen, dass es ein unverzichtbarer und verlässlicher Partner ist. Herr Bundeskanzler Olaf Scholz hat in seiner Rede bei der Eröffnung der Generalversammlung darauf hingewiesen, die Staaten lösten nicht mit Nationalismus und Isolation die Herausforderungen unserer Zeit. „Mehr Zusammenarbeit, mehr Partnerschaft, mehr Beteiligung“ sei „die einzig vernünftige Antwort.“ Offenheit und Kooperation sicherten Frieden und Wohlstand, betonte er.
Es ist an der Zeit, die Vereinten Nationen in die Lage zu versetzen, tatsächlich der eigenen Charta gerecht und zu einer Vertretung aller Völker der Welt zu werden.