Leserbrief zu „Troublemaker in der Taiwanstraße“ von Sun Cong-bin, Generalkonsul der Volksrepublik China, Frankfurt/Main vom 12. Oktober 2021
Die Ausführungen von Herrn Sun bedürfen nicht nur aus taiwanischer, sondern sicherlich auch aus deutscher Sicht einer deutlichen Richtigstellung. Wie Bundeskanzlerin Merkel in ihrer Rede zum 31. Jahrestag der deutschen Wiedervereinigung betonte, steht der 3. Oktober 1990 für „die Wiedervereinigung [Deutschlands] in Frieden und Freiheit“. Das deutsche Volk hat gemeinschaftlich über seine Wiedervereinigung sowie die Befreiung der Bevölkerung der DDR entschieden – für Freiheit und Demokratie, nicht für die Diktatur eines autoritären Staates. Auch wenn wir als taiwanische Behörde überzeugt sind, dass der deutsche Leser /die deutsche Leserin durchaus in der Lage ist, sich selbst eine Meinung über die wahre Situation in der Taiwanstraße zu bilden, so möchten wir einmal mehr Fake-News bekämpfen und den Standpunkt der Republik China (Taiwan) vertreten.
Zu Punkt 1: Die Republik China (Taiwan) ist seit 1911 ein souveräner Staat. In den vergangenen 72 Jahren haben wir uns in Taiwan von einem armen zu einem reichen, von einem autoritären zu einem demokratischen, von einem gleichförmigen zu einem diversen Staat entwickelt. Taiwan stand nie unter der Jurisdiktion der 1949 gegründeten Volksrepublik China. Die von Herrn Sun erwähnte Resolution 2758 der UN-Generalversammlung behandelt den Status der Volksrepublik China als Vertreter des festlandchinesischen Volkes, nicht jedoch den der Republik China (Taiwan). Sie schließt Taiwan zudem satzungsgemäß nicht aus.
Zu Punkt 2: Der Frieden und die Stabilität in der Taiwanstraße sowie dem Indo-Pazifikraum werden durch die steil ansteigende Aufrüstung und das aggressive Handeln des chinesischen Militärs sowie das Eindringen seiner militärischen Flugzeuge in taiwanischen Luftraum massiv bedroht. Diese Provokationen des wahren Troublemakers haben die internationale Aufmerksamkeit geweckt und entsprechende Maßnahmen nach sich gezogen. Eine Aufrüstung Taiwans durch den Kauf und die Entwicklung von Defensiv-, anstelle von Offensivwaffen, ist ein notwendiger Schritt zum Schutz der eigenen Bevölkerung und ein Beitrag um den Frieden in der Region zu wahren.
Zu Punkt 3: Wie friedlich eine Wiedervereinigung nach der chinesischen Doktrin „Ein Land, zwei Systeme“ verläuft, lässt sich am Beispiel Hongkongs deutlich erkennen. China hat sein Versprechen diesbezüglich gebrochen, sowie die Hongkonger Bevölkerung der zugesagten Rechte und Freiheiten beraubt. Tag für Tag erlebt Hongkong massive Menschenrechtsverletzungen. Der chinesische Staatspräsident Xi Jinping hat selbst mehrfach Gewalt zur Lösung der Taiwanfrage in Aussicht gestellt und gar davon gesprochen, jegliche „Taiwan-Unabhängigkeitspläne“ zu zerschlagen. Taiwan jedoch achtet und verfolgt die Ziele der Charta der Vereinten Nationen, wie die friedliche Schlichtung von Streitigkeiten und den Verzicht auf Gewaltanwendung. Als Demokratie lassen wir die 23,5 Millionen Menschen unseres Volkes über ihre Zukunft entscheiden.
Wie Präsidentin Tsai Ing-wen in ihrer Rede zum taiwanischen Nationalfeiertag betonte, werden wir nicht abweichen von den vier Standpunkten, die uns die Menschen in Taiwan vorgegeben haben: Wir beharren auf unser freiheitliches und demokratisches Verfassungssystem, darauf, dass die Republik China (Taiwan) und die Volksrepublik China einander nicht untergeordnet sind, sowie darauf, dass unsere Souveränität nicht verletzt werden kann und dass die Zukunft der Republik China (Taiwan) dem Willen unserer Bevölkerung folgt. Auch wir hoffen auf eine friedliche Beilegung des Konflikts – im Sinne des taiwanischen Volkes.
Wei-ta Chang, Generaldirektor Taipeh Vertretung in der Bundesrepublik Deutschland, Büro Frankfurt am Main